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[Story] Capital Pilot

Author
Rionan Nafee
#1 - 2013-03-25 13:52:31 UTC
Kräftige Servomotore hoben die Kapsel aus hochverdichtetem Kompositstahl in ihre Ruheposition, wo starke Klammern mit einem satten Geräusch zufassten, um sie sicher zu halten. Kontrolllichter flammten auf und zeigten an, dass die elektronischen und optischen Verbindungen erfolgreich hergestellt worden waren. Feine Spalten bildeten sich auf der Oberfläche der Kapsel, die sich immer mehr verbreiterten, um ihren wertvollen Inhalt frei zu geben. In einem großen Schwall schoss die Flüssigkeit aus der unteren Öffnung und verschwand umgehend wieder durch das engmaschige Bodengitter. Ein nackter Körper folgte und fiel mit den Knien auf den wohl temperierten Boden. Mit aufgestützten Armen rang die Person mühsam nach Luft.
Das Abkoppeln und der Ausstieg aus der Kapsel war jedes Mal eine große Belastung und Morana brauchte immer ein paar Minuten bis sie sich von dem harten Wechsel der gesamten Wahrnehmung erholt hatte. Doch diesmal war es schlimmer als sonst und in die abfließende Kapselflüssigkeit mischte sich Erbrochenes und bitterer Gallensaft.
Morana wusste nicht, wie lange sie erschöpft und mit taumelnden Gedanken auf den glatten, warmen Bodenfliesen gekauert hatte als fürsorgliche Hände sie sanft berührten.
"Dame?", fragte leise eine besorgte Stimme.
Moranas Schulterblätter versteiften sich bei der altmodischen Anrede unwillkürlich. Sie konnte ihn immer noch nicht leiden und hatte es anscheinend immer noch nicht geschafft, ihn ihrer Assistentin abzugewöhnen. Aber zumindest sagte sie nicht mehr "Herrin" zu ihr, was auch schon als Fortschritt gelten konnte.
Irgendetwas in Moranas Hinterkopf wollte noch einwenden, dass sie ihrer Assistentin eigentlich auf das Schärfste verboten hatte, den Kapselraum zu betreten, da sie sich im Moment des Ausstiegs immer so furchtbar verletzlich fühlte, doch dieser Gedanke schaffte es nicht ganz, bis an die Oberfläche ihres getrübten Bewusstsein vorzustoßen. Teilnahmslos ließ sich Morana von der jungen Frau hinüber in das Badezimmer führen, wo sie ihr fürsorglich die letzten Reste der Kapselflüssigkeit vom Körper wusch. Währenddessen kehrten ihre Gedanken ein paar Stunden zurück …
Rionan Nafee
#2 - 2013-03-25 13:52:59 UTC  |  Edited by: Rionan Nafee
Morana konnte förmlich spüren, wie die mächtigen Generatoren langsam ausliefen, die sich tief im Bauch des Schiffes befanden. Die letzten Stunden über hatten sie unermüdlich die gewaltigen Kraftfelder der Erzpressen gespeist, die nun in sich zusammenfielen.
Die heutige Schicht war zu Ende und wenn Morana die Prozessdaten überflog, lagen diese wieder gut 10% über dem Plansoll. Ihre Leute konnten sich also abermals über einen netten und hart erkämpften Bonus freuen.
Ein zufriedenes Lächeln huschte über Moranas dünne Lippen, was jedoch niemand sah. Hier, im Inneren der Kapsel, umgeben von atmungsaktiver und nährstoffreicher Flüssigkeit war sie ganz alleine. Trotzdem konnte sie bei Bedarf in Gedankenschnelle jeden Winkel ihres Schiffes einsehen und jedes einzelne Besatzungsmitglied erreichen. Es war eine tolle Crew, die sich jeden Tag besser einspielte und Leistungen erbrachte, die früher, bevor Morana das Kommando über die Bergbauflotte übernommen hatte, einfach unmöglich schienen.
Aber nicht nur hier an Bord der Tethys' Auge, sondern auch draußen in den Asteroidengürteln, in den Bergbaubarkassen und Grabungsschiffen, den Transportern und Frachtern verrichteten fähige Männer und Frauen vorbildlich ihre anspruchsvolle und oftmals auch nicht ungefährliche Arbeit. Morana konnte mit Recht stolz auf sie alle sein.

Die letzten Blöcke aus hochverdichtetem Erz verschwanden im Inneren des Frachters, der neben der gigantischen Rorqual schwebte. Noch während sich die großen Ladeluken schlossen beschleunigte es, um die Ausbeute des heutigen Tages in die immer hungrigen Veredelungsanlagen der Allianz zu schaffen.
Nach einem letzten Rundblick durch die Kameradrohnen und der Kontrolle durch den Nachbereichsscanner, dass der unmittelbare Bereich um das Schiff nun tatsächlich frei war, löste Morana den Transformationsalarm aus und fuhr den Industriekern der Rorqual kontrolliert herunter. Dank der künstlichen Schwerkraft an Bord des Schiffes merkte die Mannschaft kaum etwas davon, dass sich die riesige Luke schloss, die gigantischen Materialbehälter allmählich in ihre Ruhelagen fuhren und sich das Schiff auf die Seite legte.

Das unzählige Male geübte und täglich wiederholte Manöver war bereits fast abgeschlossen, als plötzlich eine Retriever aus dem Warp fiel. Die Kursdaten, die sofort über Moranas inneres Auge huschten, kündigten unbarmherzig die bevorstehende Katastrophe an. Schneller als jeder normale Kommandant reagieren konnte, ergriff sie Gegenmaßnahmen.
Sofort wechselte das dumpfe Brummen des Transformationsalarms in das schrille Kreischen des Kollisionsalarmes und durch das ganze Schiff hallte das harte Knallen der zufallenden Sicherheitsschotten. Sämtliche Steuertriebwerke auf der Steuerbordseite sprangen an, aber wenn 1,2 Millionen Tonnen Metall und Verbundstoffe auf einer Länge von 2.200 Metern erst einmal in Bewegung waren, ließen sich diese nicht so rasch in eine andere Richtung lenken, wie es in diesem Moment nötig gewesen wäre. Auch der Schild, der sich flimmernd aufbaute, würde bestimmt nicht mehr die maximale Leistung erreichen. Doch vielleicht ließ sich dadurch zumindest das Schlimmste vermeiden ...

Trotz der mehrfach gestaffelten Sicherheitssysteme und der stoßabsorbierenden Flüssigkeit wurde Morana in ihrer Kapsel hin und her geschüttelt, als sich der Rumpf der Bergbaubarkasse nahezu ungebremst in die Seite ihres Capital-Schiffes bohrte. Zentimeterdicker Panzerstahl wurde wie dünnes Papier auseinander gerissen und massive Verstrebungen verbogen und verdrehten sich als bestünden sie aus einfachem Formstoff. Kostbare Atemluft entwich explosionsartig in die Leere des Weltraumes und riss alles mit sich, was nicht ausreichen fest verankert war. Funkensprühend zerrissen Energieleitungen und aus allen Bereichen des Schiffes liefen unzählige Störmeldungen in Moranas Kapsel zusammen.
Nur ein Kapselpilot konnte in diesem heillosen Chaos noch die Übersicht behalten.
Sofort startete Morana die schiffsinternen Reparatursysteme. Gleichzeitig schaltete sie die zerstörten und schwer beschädigten Bereiche ab, damit diese nicht eventuell noch weiteren Schaden verursachten oder wertvollen Energie abzogen, die anderswo dringender gebraucht wurde. Zusätzlich setzt sie einen Notruf an das Allianzkommando ab und übermittelte laufend den aktuellen Stand der Situation. Kleine Eindämmungsfelder bauten sich auf und schirmten die aufgerissenen Stellen ab, während die Lufterneuerungsanlage wieder atembare Luft in die betroffenen Bereiche pumpte. Die Steuerdüsen arbeiteten abermals unter Volllast, diesmal jedoch um die unkontrollierte Taumelbewegung der Rorqual aufzuheben, die der harte Aufprall verursacht hatte. Nicht auszudenken, wenn das gigantische Capital-Schiff jetzt auch noch gegen eines der Module oder gar den Kontrollturm der POS prallen würde!
In Windeseile schaltete Morana durch die Innenbordkameras. Immer mehrere auf einmal und auch immer nur einen kurzen Augenblick, doch dies reichte aus, damit sich die Kapselpilotin ein Bild über die aktuelle Situation machen konnte.
Mehrere Brände waren ausgebrochen, wurden jedoch bereits von den automatischen Eindämmungsanlagen bekämpft und die dicken, giftigen Rauchschwaden unter Hochdruck abgesaugt. Mehrmals entdeckte sie verwundete Besatzungsmitglieder, die nicht rechtzeitig einen Sicherheitsgurt anlegen hatten können und durch die schwere Erschütterung irgendwo dagegen geschleudert worden waren. Doch diese wurden bereits von ihren unverletzten Kameraden und autarken Sanitätsdrohnen versorgt. Nach einer ersten überschlagsmäßigen Schätzung dürfte die Besatzung der Tethys' Auge mit leichten bis mittleren Verletzungen davongekommen sein.
Rionan Nafee
#3 - 2013-03-25 13:53:49 UTC  |  Edited by: Rionan Nafee
Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass es ihrer Besatzung verhältnismäßig gut ging, konzentrierte sich Morana auf ihre Kameradrohnen, welche die Tethys' Auge beständig umkreisten. Wie grüne Wellen schwappten Myriaden an Reparaturnaniten über die Außenhaut des Schiffes, um die schlimmsten Schäden zu beheben und gefährliche Lecks zu stopfen. Kleine und größere Trümmer taumelten unkontrolliert herum und prallten gegen das Schiff oder die POS-Strukturen. Ein abgerissener Strip Miner wirbelte durch das All und hätte beinahe eine der Kameradrohnen zerstört. Immer noch kämpften die Steuertriebwerke gegen die Taumelbewegung des Schiffes, hatten diese jedoch inzwischen so weit unter Kontrolle, dass ein Zusammenstoß mit größeren Strukturen auszuschließen war.
Morana stöhnte innerlich als sie die vollkommen zerfetzten Materialbehälter auf ihrer vorderen Steuerbordseite betrachtete. Trotzdem hatten sie alle noch unglaubliches Glück gehabt, dass die Kraft der Steuertriebwerke und der unvollständig aufgebaute Schutzschirm ausgereicht hatten, damit die Bergbaubarkasse sie quasi nur seitlich gestreift hatte. Hätte sie sie mit der Geschwindigkeit, mit der ein Schiff aus dem Warp kam, frontal gerammt, hätte es für das Schiff und die Besatzung keine Hoffnung mehr gegeben. So aber hatte die Retriever nur zwei der riesigen Materialbehälter durchschlagen und dabei lediglich einen Bruchteil der Bewegungsenergie an das Capital-Schiff übertragen können.

Zwei Kameradrohnen lösten sich aus ihrem beständigen Orbit um die Tethys' Auge und folgten der davontrudelnden Bergbaubarkasse … oder zumindest dem, was davon noch übrig war.
Der vordere Teil des leichten Bergbauschiffes bestand nur noch aus verbogenem und verdrehtem Schrott, eingehüllt von einer dichten Wolke aus unidentifizierbaren Trümmerteilen und zermalmten Erzbrocken aus den aufgeplatzten Materialbehältern. Im hinteren Teil konnte ein geschultes Auge zwar noch den Schiffstyp erkennen, doch auch hier waren die Schäden enorm. Morana wagte nicht, das langsam um sich selbst drehende Wrack mit den mächtigen Traktorstrahlen der Rorqual abzufangen. So wie es sich darstellte würde es dabei nur noch weiter auseinander brechen. Für diese Aufgabe wurden spezielle Bergungsraumschiffe benötigt.

Seit dem Zusammenstoß der beiden Schiffe waren erst ein paar Sekunden vergangen, als der Weltraum um die Unglücksstelle herum abermals zu erbeben schien. Bei einem Zwischenfall wie diesem, wo ein Capital-Schiff beteiligt war, zog das Allianzkommando immer die Möglichkeit eines gezielten Anschlages oder gar eines bevorstehenden Angriffes einer verfeindeten Allianz in Betracht und reagierte dementsprechend: Schnell und entschlossen.
Ein komplettes Einsatzgeschwader der Allianz war rund um die POS aus dem Warp gefallen und mächtige Geschütze richteten sich drohend in alle Richtungen. Abfangjäger und Angriffsfregatten rasten in enger Formation vorüber und die Schatten von mindestens zwei Trägerschiffen schoben sich vor die weit entfernte Sonne. Die explosionsartige Zunahme der verschlüsselten Funkübertragungen ließ darauf schließen, dass auch noch weiter draußen im Sonnensystem Schiffe in Alarmstellung gingen und Aufklärer mit ihren hochgezüchteten Sensoren jeden Kubikkilometer des Systems genau in Augenschein nahmen.

Kurz nach der Kampfgruppe trafen auch schon die ersten Rettungskreuzer ein. Morana dirigierte sie zu den funktionierenden Schleusen und überwachte die Ankoppelungsmanöver. Das war gar nicht so einfach, da die Steuertriebwerke immer noch dabei waren, die Taumelbewegung der riesigen Tethys' Auge auszugleichen, doch auch wenn in diesen Schiffen keine Kapselpiloten saßen, so verstanden diese Piloten ihr Handwerk und schon nach kurzer Zeit erhielten die angeschlagenen Besatzungsmitglieder der Rorqual professionelle medizinische Hilfe.

Währenddessen hatte Morana die zerstörte Retriever nicht aus den Augen gelassen und konnte somit verfolgen, wie von einem Bergungsraumschiff spezielle Drohnen gestartet wurden, um die unzähligen Trümmer aus dem Gefahrenbereich zu entfernen und so den Rettungstrupps den Zugang zum Inneren des Schiffes zu ermöglichen. Leistungsfähige Laserschweißgeräte blitzten auf und energetische Scheren und Spreizer taten ihr Bestes. Trotzdem würde es noch einige bange Minuten dauern, bis irgendein Ergebnis vorlag.
Rionan Nafee
#4 - 2013-03-25 13:54:15 UTC  |  Edited by: Rionan Nafee
"Tethys, hier ist Hammer!" Donnerte es auf der Kommandofrequenz. Nur um sofort fürsorglich fortzufahren. "Wie geht es dir, meine Kleine?"
Zum ersten Mal seit schier endloser Zeit entkrampften sich ihre fest aufeinadergepressten Lippen und ein leises Lächeln stahl sich darauf. Morana besaß die schlanke Figur, die den meisten Sebiestor eigen war, trotzdem überragte sie den kleinwüchsigen Amarr, der überall nur unter seinem Rufnamen Hammer bekannt war und auch jedes einzelne seiner Schiffe genauso benannte, um mehr als Haupteslänge. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, sie so zu betiteln. Und er war auch der Einzige, dem sie das durchgehen ließ.
"Ich bin noch am glimpflichsten davongekommen", antwortete Morana und hörte Hammer verstehend brummen. Auch er befand sich an Bord seines Einsatz-Kommandoschiffes in einer flüssigkeitsgefüllten Kapsel. Dort hatte er als Kommandant diverser Kampfflotten schon weit schlimmeres erlebt als sie gerade eben. "Meiner Besatzung geht es den Umständen entsprechend gut. Ich mache mir viel mehr Sorgen um die Leute auf der Retriever."
"Die Rettungstrupps sind noch an der Arbeit", antwortete Hammer kurz angebunden, um gleich darauf das Thema zu wechseln. "Du siehst gar nicht gut aus, Kleine. Gar nicht gut. Das Allianzkommando wird überhaupt nicht begeistert sein."
Hammers Absolution schwebte nur ein paar Kilometer "über" ihr "auf dem Kopf", wenn man im All überhaupt solche Begriffe verwenden konnte. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in der blutroten Lackierung der goldenen Hülle. Von dort aus hatte er bestimmt einen erstklassigen Blick auf ihre zerfetzten Materialbehälter. Morana nickte unbewusst. Dieser Unfall würde bestimmt sämtliche Fertigungspläne der nächsten Zeit über den Haufen werfen. Die Bergbauflotte verfügte zwar noch über ausreichend Orcas, welche die Koordinierung der unterschiedlichen Abbau- und Transportstaffeln aufrecht erhalten konnten, doch die mächtigen Pressen, die das abgebaute Erz zu handlichen Blöcken komprimierte, waren nur schwerlich zu ersetzen. Viel mehr Transportschiffe mussten nun das Roherz von den Asteroidengürteln den ganzen Weg bis direkt in die Veredelungsanlagen bringen, die erst wieder auf die geänderten Umstände eingestellt werden mussten. Auch das würde kostbare Zeit in Anspruch nehmen.
Hoffentlich reichte der Überschuss der letzten Wochen, der sich in den Lagerräumen der Station befand, aus, um das nun entstehende Materialdefizit aufzufangen. So tief im Nullsicherheitsraum, fast an der Grenze des erschlossenen Raumes und abseits der wichtigen Handelsrouten konnte man sich auf eine regelmäßige Versorgung aus den Imperien nie hundertprozentig verlassen. Nicht selten kam es vor, dass die unersättlichen Fertigungsanlagen einzig und allein auf die Materialen angewiesen waren, die Morana mit ihrem Team aus den ausgedehnten Asteroidengürteln des Sonnensystems heran schaffte. - Und hoffentlich trat nichts ein, was eine Steigerung der aktuellen Fertigungszahlen unmittelbar nötig machte. Ein Angriff einer neidischen Allianz zum Beispiel. Die Möglichkeit eines gezielten Anschlages auf die Rohstoffversorgung, um die hier ansässige Allianz zu schwächen stand plötzlich wieder im Raum und Morana konnte langsam die scheinbare Paranoia verstehen, welche das Allianzkommando manchmal an den Tag legte. Doch inmitten von Hammers Einsatzgeschwaders fühlte sie sich sicher.
"Kleine", meldete sich Hammer wieder. Die Anspannung in seiner Stimme war für Morana nicht zu überhören. "Die Rettungstrupps sind nun in die Retriever vorgedrungen ..."
Rionan Nafee
#5 - 2013-03-25 13:54:36 UTC  |  Edited by: Rionan Nafee
Ein penetrantes, pulsierendes Summen zog Moranas Gedanken wieder in das Hier und Jetzt.
Eingehüllt in einen flauschigen Bademantel saß sie an ihrem großen Schreibtisch. Vor ihr stand eine große Tasse mit Tee, den ihre Assistentin nach alter Sitte liebevoll per Hand zubereitet hatte und der sie nach einem harten und langen Arbeitstag immer so schön entspannt hatte. Inzwischen war er längst kalt geworden.
Von dem großen Bildschirm blickten ihr die Portraits von mehreren Dutzend Männern und Frauen entgegen. Stumm und anklagend. Ihr fröstelte als sie sich zwang, den Blick abzuwenden.
Sie rief die Mitteilung auf, deren Eintreffen durch das Summen signalisiert wurde. Nur beiläufig überflog sie den Inhalt. Die Untersuchungskommission war zu einem vorläufigen Ergebnis gelangt:
Anhand der Scannaufzeichnungen der allianzeigenen Raumüberwachung und den Informationen aus dem Flugschreiber, der aus der zerstörten Retriever geborgen worden war, war rekonstruiert worden, dass sich der Kapitän der Bergbaubarkasse eigenmächtig und ohne vorheriger Nachfrage entschlossen hatte, zur POS zurück zu kehren. Ein kleiner Fehler in der Kursberechnung des unerfahrenen Navigators hatte dann dazu geführt, dass die Bergbaubarkasse viel zu nahe an der POS aus dem Warp kam. Als er seinen Fehler erkannte, hatte der Kapitän die Bremstriebwerke auf volle Leistung geschaltet, anstatt zu versuchen, den Kurs und die Fluglage der Retriever so zu ändern, damit sie an der Tethys' Auge vorbei schrammte. Doch so und wegen eines schadhaften Triebwerkes an der Bergbaubarkasse war ein Zusammenstoß unvermeidlich gewesen. Die Schuld lag somit alleinig beim Kapitän der Retriever, nicht an Morana. Im Gegenteil, die Untersuchungskommission ging sogar so weit, dass sie ihr ein Lob für ihre umsichtige und rasche Vorgehensweise aussprach, die einen noch größeren Schaden verhindert hätte.

Doch Morana gab diese Nachricht keinen Frieden. Als Kommandantin war sie letztendlich für alle Belange der Bergbauflotte verantwortlich. Auch für die Zusammenstellung der Besatzungen der Raumschiffe. Die Crew der zerstörten Retriever hatte zum größten Teil aus Neulingen bestanden, Kaum eines der Besatzungsmitglieder war älter als 25 Jahre. Es war nur ein Zufall gewesen, dass die Dienstpläne sie zusammengeführt hatten. Männer und Frauen, die nichts anderes wollten, als hier im Nullsicherheitsraum ein neues Leben anzufangen und ihren Ehepartnern und Kindern eine erstrebenswerte Zukunft zu bieten. Von einer Sekunde zur anderen ausgelöscht, nur wegen einer unbedachten Entscheidung eines Einzelnen und ein paar kleinen Fehlern, die zufällig zusammengespielt hatten. Natürlich würden ihre Angehörigen aus dem Sozialfond der Allianz entschädigt, doch Geld konnte niemals einen geliebten Menschen ersetzen.

Morana seufzte schwer und blickte abermals schuldbewusst über die geöffneten Personalblätter der verunglückten Bergleute. In der Zeit, in der sich die Rorqual in der Werft befand, würde sie die Mannschaftslisten und Dienstpläne der gesamten Flotte überarbeiten. Sie durfte nicht noch einmal zulassen, dass sich auf einem Schiff so viele Neulinge konzentrierten. Sie musste eine sinnvolle Durchmischung sicherstellen, bei der die Neulinge nicht nur etwas von den altgedienten Besatzungen lernten, sondern auch, dass solche Fehler in einem doppelten Sicherheitsnetz aufgefangen wurden.
Sie hatte sich einfach zu sicher gefühlt. Es war höchste Zeit, das zu ändern.

Doch zuvor musste sie noch Beileidsschreiben verfassen. Eine Menge an Beileidsschreiben.
Rionan Nafee
#6 - 2013-03-25 17:35:24 UTC
Kommentare, Meinungen und konstruktive Kritik sind natürlich wieder herzlich willkommen.
Marox Calendale
University of Caille
Gallente Federation
#7 - 2013-03-28 13:15:47 UTC
Klasse Story um zum Feierabend wieder runterzukommen. Gefällt mir sehr gut und ich finde es schön, dass du vor allem die Welt etwas abseits der Kapselpiloten so schön beleuchtest.